Originalname: Kamui Gai-Den
Author : Sanpei Shirato
Verlag : Carlsen
Bände : 2
Format : Din A 4 (amerikanisches Format), Gespiegelt
Preis : 36,00 DM

Was kursieren nicht alles für Gerüchte und Sagen über Ninjas. Unbezwingbare Tötungsmaschinen, der Magie mächtig, geheimnisvolle Einzelgänger, all dies sollen sie sein. Doch was wirklich hinter diesen Legenden steckt, das versucht kaum einer aufzudecken.

Japan ist in vielerlei Hinsicht den anderen Völker in Asien ähnlich. Trotz ihrer Insellage entwickelten sie ein Kastensystem, was zwar in dieser Form einmalig auf der Welt ist, und in der die einzelnen Codice von allen Gruppen höher geschätzt werden als die Vorteile die man eventuell selbst ziehen könnte, aber trotzdem in den Grundzügen ähnlich sind. So stellen auch die Ninja ähnlich wie die Samurai eine eigene Gruppe dar. Sie leben in Clans, abgeschieden von der Außenwelt, folgen ihren eigenen Regeln, deren Bruch schwere Strafen nach sich ziehen kann. Politisch gesehen sind sie Handlanger von Daimyos und dem Shogun gewesen, die sie nutzten um ihre Machtstellung zu festigen und durchzusetzen. Schließlich machte ihre Ausbildung in militärischer Strategie, Tarnung und Meuchelmord sie zu idealen Spionen und Assassinen. Gefürchtet und gehasst, war ihr Weg den sie wählten letztendlich auch ihr Untergang. Die Machthaber fürchteten die Ninjas sosehr das sie nach und nach alle Clans vernichteten. Die wenigen verbliebenen Ninjas passten sich ihrer Zeit an, oder gingen ganz in den Untergrund. Was passierte mit Angehörigen der Clans, die sich nicht den Regeln beugen wollten? Sie wurden zu Ausgestoßenen, zu Nunekins. Ähnlich wie bei den Samurais die Ronins, galten sie damit als rechtlos in den Augen der Ninjas. Sowohl von den eigenen Leuten gejagt, die um jeden Preis das Wissen um die Clans und die Ausbildungsmethoden der Ninja, die Kunst des Ninjutsu, schützen wollen, als auch Ninjajägern, die aus Haß, Rachegelüsten oder von den Herren Japans angeheuert ihren Tod herbeiwünschten. Um einen solchen Nukenin geht es in diesem Werk. Angesiedelt ist es am Anfang der Edo Ära, nachdem Tokugawa den großen Bürgerkrieg gewann, also mehr als 400 Jahre in der Vergangenheit. Geboren als Hinin, als Rechteloser, ähnlich wie die Unberührbaren in Indien, gelangt Kamui zu den Ninjas, um sich auf seine eigene Weise seine Freiheit zu schaffen. Doch er findet sich in dem strikt geführten Clanleben nur in einer neuen Form von Gefangenschaft wieder, der er doch eigentlich entfliehen wollte. Also flieht er erneut, und beschreitet den Weg der Nunekin, ein harter und einsamer Gang der vor ihm liegt, geprägt von Mißtrauen und Kampf. Sanpei Shirato hat die Geschichte um Kamui so sehr ausgearbeitet, das sie zu seinem Hauptwerk geworden ist. In mehreren Zyklen beschreibt er das Heranwachsen und Lernen von Kamui, seinen Ausbruch aus der ihm vertraut gewordenen Umgebung, seinen Weg nachdem er zum Abtrünnigen wurde. Sehr gründlich recherchiert und mit detailliertem Hintergrundwissen zeichnet der Autor ein faszinierendes Bild von Japans Vergangenheit, dicht und spannend.

Diese Serie entstand zu einer sehr frühen Zeit, die Schaffensperiode erstreckt sich vom October 1964 bis hin zum Juli 1971, in dieser Zeit erschienen die einzelnen Kapitel, wie auch die meisten anderen Kamui Folgen, OneShots, Ableger etc im japanischen Magazin "Weekly Big Comic". Zu dieser Zeit war der Zeichenstil, der hier verwendet wird, etwas neueres. Die meisten japanischen Künstler orientierten sich noch an dem von Disney propagierten einfachen, flächigem Stil. Durch seine dunkle, sehr intensive und dichte Zeichnungen vermittelt dieses Doppelalbum die ersten Eindrücke des neuen japaneigenen Stils. Viele der nach ihm folgenden Zeichner orientierten sich mehr in seine Richtung als die westliche, die damit in Japan an Bedeutung verlor, als man sich wieder den eigenen Fähigkeiten zuwandte. Natürlich erkennt man in seinem Schaffen auch noch den Einfluß anderer Kulturen, er richtet seine Panels noch sehr strikt aus, und durchbricht diese Grenzen nur in Ausnahmefällen. Aber seine Zeichnungen sprechen für sich. Sie sind mit viel Verständnis für den jeweils dargestellten Handlungsabschnitt ausgeführt, es tritt nichts hervor ohne das es nicht so gewollt ist. Im Gegenteil, durch die Vielzahl an Bestandteilen in den einzelnen Panels, die alle in dem ihm eigenen Stil sehr dunkel und mit einem dicken Strich gezeichnet sind, hat man manchmal Kontrastprobleme. Es muß sehr aufwendig sein, jede Zeichnung vollständig per Hand zu gestalten, man ist heutzutage verblüfft wie er dies über all die Zeit in dieser Qualität hat durchhalten können. Und zudem stimmt auch alles was er mit einbringt, jede Waffe, jede Hintergrundepisode, alles was er über die zeit erzählt. Die Kämpfe, die auch vorkommen, sind rasanter gezeichnet, verfließen meist, im Sinne der Ninjageschicht, schnell und tödlich.

Das Doppelalbum entspricht in seiner Aufmachung dem Carlsenstandard wie er damals üblich war. Pseudoumschlag mit den eingeschlagenen Klappen, Klebebindung (die hier durch den schieren Umfang der Bände lächerlich erscheint), gespiegelt und ein sauberes Lettering. Es handelt sich wie schon erwähnt um wahre Wälzer, 220 bzw 250 Seiten umfassen die Bände. Dementsprechend auch der Preis. Mal von Artbooks abgesehen, der höchste der mir untergekommen ist für Mangas. Die deutsche Ausgabe orientiert sich wieder mal am amerikanischen Vorbild von Viz, von daher sind manche Schnitzer verständlich. Wenn es ein europäisches Werk wäre, würde man es Frankreich oder Belgien zuordnen, ein anspruchsvolles, klassischeres Comicalbum wäre es dann wohl. Die Darstellung der Hintergrundgeschichte und der Motivation und Beziehungen zwischen all den Charakteren in diesem Werk steht deutlich im Vordergrund. Es ist anspruchsvoll geschrieben, und stellt für denjenigen der sich gerne mit der Geschichte Japans an und für sich beschäftigen möchte, eine gute Quelle dar.

Wenn man diese beiden Bände noch irgendwo erwischt und sich mal dafür interessiert was an wirklich guter japanischer Comickunst auf dem Markt ist, sollte zugreifen. Verlagsvergriffen sind sie schon lange, man sollte also länger Ausschau halten bevor man fündig wird. Wer aufgrund der Assoziation Ninja -) Kämpfe ein actionreiches, nahkampfbetontes Werk erwartet wird enttäuscht werden. Es ist eher eine Zustandsbeschreibung, erdachte aber schön geschriebene Geschichte, ein Pseudochroniksausschnitt des feudalen Japans. Jeder der sich dafür begeistern kann, liegt hier genau richtig.